1. Kurz zum Inhalt...
In
dem fünftaktigen Drama „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing geht es
um das Nutzen der menschlichen Vernunft und um Toleranz gegenüber anderen
Religionen. Im Mittelpunkt steht der weise Nathan, ein jüdischer Kaufmann. Dieser lebt im Jerusalem der dritten
Kreuzzugszeit und wird, als einerseits ein Templer seine christliche
Ziehtochter Recha aus dem brennenden Haus rettet und andererseits Sultan
Saladin ihn um Darlehen angeht, in Ereignisse verwickelt, die in eine
multi-religiöse Familienzusammenführung münden. Nathan
selbst leistet einen großen Beitrag zur Familienzusammenführung von seiner christlichen
Adoptivtochter Recha, Saladin, dem muslimischen Sultan und dem judenfeindlichen
Tempelherrn.
Den
Höhepunkt bildet die Ringparabel, die im dritten Akt vorkommt und die
Gleichberechtigung der drei monotheistischen Religionen betont.
Gotthold Ephraim Lessing, der 1729 in Kamenz
geboren wurde, gilt als einer der bedeutendsten Aufklärer Deutschlands. Er
setzte sich besonders für religiöse Toleranz ein, weshalb er auch die
sogenannten „Fragmente eines Unbekannten“ veröffentlichte, an welchen sich ein
heftiger Streit entzündete.
In diesem Streit war der Hauptpastor Goeze
sein erbittertster Gegner und griff ihn heftig an. Anfänglich antwortete
Lessing mit Streitschriften, um Goeze zu widerlegen und seine eigenen Ansichten
zu verbreiten, doch als ihn der Kurfürst zu Sachsen der Zensur unterwarf,
musste Lessing einen anderen Weg finden seine Überzeugungen zu verteidigen.
Durch das 1779 erschienene dramatische
Gedicht „Nathan der Weise“ nutzt Lessing nun das Theater als „Verkündungsort“
zur Darlegung seiner Überzeugung.[2]
Anderweitig
wird „Nathan der Weise“ als „ein Schauspiel der vollendeten Humanität“[3] bezeichnet. Als
Haupthandlung wird die Ringparabel[4] hervorgehoben. Diese
Ringparabel wird so gedeutet, dass sie
„die natürliche Religion der Humanität in der Lehre bekräftigt, daß gute Taten
fortdauernd gute Taten erzeugen.“[5] Religion der Humanität
wird als menschliche Vernunft interpretiert. Sie verlangt die Loslösung von dem
dogmatischen Festhalten an Lehren, die sich widersprechen. Genau das verlange
das aufklärerische Werk Lessings. [6]
3. Wichtige
Aspekte des Textes
„Nathan
der Weise“ verkörpert Toleranz gegenüber anderen Religionen. Die Ringparabel
untermauert den Versuch Lessings, die drei Weltreligionen Judentum, Christentum
und Islam unter einen Hut zu bringen und alle als wertvoll darzustellen, alle
als „tolerierenswert“ darzustellen.
Auch
der Schauplatz des Geschehens, Jerusalem, unterstützt dieses Verlangen, die
verschiedenen Religionen zu berücksichtigen: In
Jerusalem treffen alle drei Weltreligionen aufeinander und empfinden ihn
als heiligen Pilgerort.
Genauso
wird die Weisheit Nathans betont. Es heißt nicht „Nathan der Menschliche“,
„Nathan der Jude“, oder „Nathan der Gläubige“ – Es heißt „Nathan der Weise“,
wobei weis für aufgeklärt stehen kann. Nur ein aufgeklärter Mensch, der seine
menschliche Vernunft verwendet, kann so tolerant, wie es Nathan ist, sein.
4. Nathan
der Weise - Ein Werk der Aufklärung
(1720-1800)
Das
Drama entstand im 18. Jahrhundert – ein Jahrhundert, in dem der Begriff
„Aufklärung“ angekommen war. Dieser Begriff war der Name einer in Europa
vorherrschenden geistigen Strömung. Die Richtlinie des Handelns und der
Erkenntnis war nicht mehr die christlich geprägte Lehre, sondern die Vernunft.
Diese stellt alle Autoritäten infrage und nutzt zur Kritik die Toleranz
gegenüber anderen Meinungen und die Meinungsfreiheit.
Genau
hier setzt das Werk Lessings „Nathan der Weise“ an. Das Drama transportiert
aufklärerische Ideale von Vernunft und religiöser Toleranz, woran man erkennt,
dass das Drama ein Werk der Epoche Aufklärung ist.
5. Meine Haltung.....
Toleranz
– ein Begriff der oft propagiert, aber schwer umgesetzt wird. Als deutsche
Muslimin mit türkischem Migrationshintergrund lebe ich in einer Welt, in der
meine Werte, die nicht menschenrechtswidrig sind und selber zu Toleranz und
Liebe postulieren, zum Teil toleriert werden, zum Teil falsch interpretiert und
verpönt werden. Deshalb bekomme ich die Toleranz, von der oft gesprochen wird,
wenig zu spüren.
So
finde ich Werke wie „Nathan der Weise“ wichtig, denn sie verkörpern eine
gewisse Meinungsfreiheit und rufen zu tolerantem Verhalten auf. Ich finde es
wichtig, dass Schüler, Studenten, Lehrer oder Eltern etwas lernen, wenn sie mit
Lessings Werk in Berührung kommen: Genauso wenig wie ich in kein Leben
eingreifen können sollte - solange dieses Leben der Allgemeinheit und sich
selbst nicht schadet - genau so sollte in mein Leben keiner aufgrund seiner
Intoleranz eingreifen können – unter der Bedingung, dass ich Niemandem und mir
nicht schade.
Schön,
dass Lessing mit seinem Werk von vor etwa zwei Jahrhunderten, mich das zu
spüren lässt, was ich heute oft nicht zu spüren bekomme: Toleranz.
[e WS 2010/2011 in Augsburg]
[1] Peter, von Düffel: Erläuterungen und
Dokumente. Gotthold Ephraim Lessing. Nathan der Weise, Stuttgart 2006
[2] Vgl. Von Düffel: Nathan, S. 100f.
[3] Von Düffel: Nathan, S. 192.
[4] Die
Ringparabel, die in dem Werk Lessings vorkommt ist nachzulesen unter:
http://www.internetloge.de/arst/ringpa.htm
[5] Von Düffel: Nathan, S. 192.
[6] Vgl. von Düffel: Nathan, S. 192f.