Sonntag, 27. Oktober 2013

israelisches Palästina – Anders aber doch so gleich. [in Bearbeitung]

Aus meinem Reisetagebuch. 
Exkursion der Universität Heidelberg


Die Exkursion nach israelischem Palästina hat sich wahrlich gelohnt! In vielerlei Hinsicht! Zum Einen hat es sich für mich gelohnt als einzige Muslima mit einer deutschen Gruppe zu reisen - der Grund hierfür liegt einfach darin, dass es als "sichtbare" Muslima durch das Land schwierig bis unmöglich ist, durch das Land ohne weitere Probleme zu bereisen. 


Wieso das so ist, was es denn so schwierig machen würde, als muslimische Gruppe durch das Land zu reisen und wieso ich ab dem Zeitpunkt der Ankunft am Ben Gurion Flughafen in Tel Aviv, froh war, einen deutschen Pass zu haben, erkläre ich jetzt.

Rahmeninformationen
Fahrt: Nach isralischem Palästina
Mit: einem Professoren, drei Dozenten, Doktoranden und Studierenden der Universität Heidelberg. 
Fachrichtung: Alte Geschichte, Archäologie
Vorbereitung: Durch ein wöchentliches Mittelseminar während dem SS 2013 im SAGE.
Personenanzahl: 22, ich war die einzige Muslima - erwähnenswert, wie ich finde. 

Denn damit fängt die Geschichte für mich auch an.

Was das Modulhandbuch der Uni einem so bescheren kann
Im Rahmen meines Geschichtsstudiums auf Lehramt bin ich laut dem tollen Handbuch verpflichtet, an mindestens einer Exkursion teilzunehmen. Man kann da zum Beispiel an einer Exkursion nach Mannheim ins Museum auswählen. Was ich eigentlich ja auch vor hatte, um nicht zu viel Zeit in eine Exkursion zu investieren - habe ja noch tausend andere Sachen zu tun..

Jedenfalls war ich grad dabei mich bei einer kleineren Reise anzumelden, bevor mir einfiel, dass ich doch auch bei der Alten Geschichte noch gucken könnte, was da an Exkursionen angeboten werden. Und sah die Reise nach Israel. 



Lange Rede, kurzer Sinn: und wir kamen in Tel Aviv an. 

Grobe Route und etwaiger Ablauf der Reise
Einen archäologischen Bericht werde ich hier nicht abliefern. Erstens würde das den Rahmen eines Blog-Eintrags sprengen. Und zweitens möchte ich vor allem zwischenmenschliche Eindrücke interkultureller und interreligiöser Natur teilen.

Aber die allgemeine Route soll niemandem vorenthalten bleiben:


Jerusalem - Bethlehem - Arad - Negev-Wüste - Masada - Qumran - Jericho - Beth Shean - Hippos Susita - Gamla - Haon - Tiberias - Beth Shearim - Caesaria - Tel Aviv


Totes Meer (Nähe Masada) - See Genezareth (Tiberias) - Mittelmeer (Haifa, Tel Aviv)


Viel mit Fuß, aber auch mit Auto unterwegs gewesen. (4 Autos, a 6 Personen)


Und wegen dem toten Meer: Wie eine Bekanntin von mir sagte: "Unglaublich, am tiefsten Punkt der Erde zu schwimmen, ohne unterzugehen!" :)  


Gesehen haben wir für die kurze Zeit sehr viel! Den Haram Asch-Scharif (=Tempelberg), wenn auch zum Großteil nur von Weitem, Hadrianische Reste, City of David, den Archäologischen Park in Jerusalem, den Ölberg, die Grabeskirche, Reste der Nea-Kirche, die Geburtskirche, das Kidrontal, das Wohl Museum, das Burnt House, das Israel-Museum. Verschiedene Klöster, das "Hischams" Palast, Paläste der Hasmonäer und des Herodes, die Kypros, den Mount of Temptation, Chorazim u.v.m.

Insgesamt war es eine auf die Archäologie Judaea Palaestinas ausgerichtete Exkursion und keine Pilgerreise, auch wenn wir (oder ich) glücklicherweise trotzdem an Pilgerorten wie das Haram Asch-Scharif vorbei kamen. 


Achtung: hier vermischen sich auch historische Orte mit heute noch existenten Orten und historische Namen mit aktuellen Bezeichnungen der jeweiligen Orte. Je nach für mich persönliche Bedeutung welchen Namens, nahm ich den für mich relevanten, manchmal auch beide. Nicht verwirren lassen;) 


Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern
Auf diesen möchte ich nicht eingehen. Denn dieser ist, wenn nicht über die Medien, dann vor Ort sehr gut nachvollziehbar. Wer sich ein Bild machen möchte, kann gerne ins Land und durchs Land reisen. Mein Absicht ist es mit diesem Beitrag keineswegs, meine politische Meinung zu propagieren und dadurch zu polarisieren. Vielmehr geht es mir darum, zu vereinen. Trennwände zu errichten bedarf es nur an Geld. Aber diese zu zerstören, braucht es an viel Liebe. Dieser Beitrag soll dem Letzteren dienen - wenn überhaupt irgendwem, oder irgendwas. Auch wenn ich der Meinung bin, dass in Deutschland über Geschehnisse vor Ort verzerrt berichtet wird, macht es hier keinen Sinn, darüber zu reden. Hierfür bedarf es an einem gesonderten Beitrag, den ich vorerst nicht zu liefern gedenke.  

Stichwörter für eine Darstellung der Spannung in Jerusalem

-Soldaten
-Militärsanlagen
-Siedlerfest
-Provokation
-Steine werfende
-Panzer in Jerusalem vor dem Damaskustor
-Obsthändler wirft vermutlich Apfel auf Bus mit Juden
-Schlenker der Mauer um Häuser der Siedler
-israelischer Koch: "Was wäre der nahe Osten, ohne den Nahostkonflikt." Der Westen finanziere das Land nur aufgrund des Konflikts. 

Besorgte Gesichter nach der Ankunft
Weniger während der Reise vor Ort, vielmehr im Nachhinein bemerkte ich, dass es auch auf einer ganz anderen Ebene wichtig war, dass ich mitgereist bin. 

Als ich am Bismarckplatz nach der Ankunft wieder in Deutschland unterwegs war, begegnete ich einem Kommilitonen, der auch am Mittelseminar, aber nicht an der Reise teilnahm. Etwas verwirrt war ich von seiner leicht besorgten Art, mich zu fragen, wie es mir denn ginge und ob ich wieder gut angekommen sei. "Hab ja gehört, dass es Schwierigkeiten gab. Wegen deinem...", beendete er seinen Satz und fuhr mit seinen Händen, die ein imaginäres Kopftuch um seinen Kopf zeichneten, fort. 

Schwierigkeiten im Heiligen Land
Ja. Schwierigkeiten gab es insofern, dass ich am Flughafen direkt nach der Ankunft vielleicht drei Minuten länger befragt wurde, als die anderen. Wie meine Eltern heißen würden, wo sie herkamen, ob ich Verwandte in diesem Land hätte, was ich vor habe. Aufgeregt war ich allemals. Aber als mein Dozent, Dr. Norbert Kramer herbei eilte, um nachzufragen, ob es ein Problem gab, war ich gerade dabei zu erklären, dass ich mit einer deutschen studentischen Gruppe da bin. "That's my teacher", sagte ich sofort, nachdem Herr Kramer seine Frage stellte. "You are her teacher? Okey..", waren dann seine letzten Worte, mit welchen er mich zur Gruppe ließ. 
Auch war es von Vorteil, dass ein jüdischer Freund mich vorab darauf hinwies, dass es wichtig sein könnte, wenn ich in solch einem Falle mehrmals betone, dass ich mit einer deutschen Gruppe unterwegs bin. Das tat ich genau so. Und geholfen hat es mir mindestens seelisch sehr.
--
Oder als wir die Checkpoints im Land, welche die Grenzen zwischen dem israelisch besetztem Palästina, auch Westbank genannt und Israel markieren, überqueren wollten. Da wurde ich (zunächst einmal) aus dem Auto gebeten und nach meinem Koffer wurde ich gefragt, den ich extra aus dem Kofferraum rausholen und vorzeigen sollte. 
Matthias, unser Fahrer des "Spaßmobils Sonnenschein" (unsere Autos hatten alle einen Namen), half mir zum Glück dabei. Zum Glück, weil ich unglaubliche Magenschmerzen hatte. Hatten uns vorher nämlich verfahren, und konnten lange Zeit leider nicht für kleine Mädels mal weg.. 
Jedenfalls schlüpfte ich aus dem Auto raus und ja, mit der Sicherheitsbeauftragtin in das kleine Häuschen mit dem Sicherheitscheck, samt Koffer. Auch meinen Geldbeutel samt Inhalt wollte sie sehen. Ja. Gut. Wenigstens durfte ich nach dem freundlichem Sicherheitscheck wenigstens die Last ablassen. Womit ich nicht die einzige war, und diejenigen, die dabei waren, wissen auch, dass ich nicht die einzige bin, die an diesem Checkpoint unter Generalverdacht erleiden musste ^^. Nähere Infos gibt's bei 'nem Glas Çay ^^.

Unwohl fühlte ich mich im jüdischen Viertel in Jerusalem etwas. Als ich mir etwas zum Essen holen wollte, musste ich eine Weile anstehen, um meine Bestellung zu geben. Zehn Minuten warteten wir mindestens in diesem kleinen Sandwich-Laden, währenddessen mich ein älterer Herr, der neben mir anstand, mit einem bösen aber gleichzeitig fragenden Blick anschaute. Vielleicht war er sich nicht ganz sicher, was ich da treibe. Wie es sein kann, dass eine Muslima dort was zum Essen einkauft. Aufgefallen ist mir ja schon, dass nicht so viele Muslime auf der jüdischen Seite kursieren. Aber der unfreundliche Blick war einfach zu lang. Beharrlich lächelte ich ihn die zehn Minuten lang an, ja und das ging dann, bis er es schaffte mich tatsächlich auch anzulächeln.

Genau das waren Momente, die mir zeigten, ok, es sind Vorurteile irgendwie spürbar sichtbar da, aber sie existieren, weil man, vor allem und fast eigentlich nur in Jerusalem, sein Gegenüber nicht kennt. Weil Muslime wahrscheinlich nie auf der jüdischen Seite essen oder einkaufen gehen, und andersrum. Und diese sind überwindbar. Zum Glück.

Das Tuch passt nicht, aber dann irgendwie doch zu mir (--> kleiner Exkurs)
Die "Gretchenfrage" der Muslima des 20. Jahrhunderts nach dem Kopftuch wurde natürlich auch zwischendurch gestellt. Wieso ich es tragen würde.  Und dass es irgendwie nicht zu mir passe. 
Ganz ehrlich: Ich merkte, dass ich kein Musterbeispiel einer Antwort hatte. Obwohl ich so oft danach gefragt wurde. Und obwohl ich schon so oft auch mit anderen Freundinnen, die das gleiche Glück mit mir teilen, eine Kopftuchträgerin zu sein, ich versuchte jedes Mal für mich neu zu definieren und zu reflektieren, wieso ich das überhaupt mache. Vor allem, wie ich dazu kam? Bei einer Familie, in der von 6 Frauen (Mama, vier ältere Schwestern und ich), ich die Einzige bin, die ein Kopftuch trägt. Vielleicht habe ich das Bedürfnis, diese Info hier reinzupacken, um zu betonen, dass ich mich selber dazu entschied. Dass ich nicht religiös erzogen oder dazu getrimmt wurde, irgendwann einmal ein Tuch, oder DAS Tuch zu tragen. Ganz im Gegenteil. Papa riet es mir ab, Mama war nicht begeistert, eine Schwester dachte ich sei in der Sekte gelandet, der Anderen war es irgendwie egal, nach dem Motto: "Leben und leben lassen". Und die mittlere ältere Schwester freute sich zwar und bewegte auch meinen Papa dazu, mich machen zu lassen, was ich wolle. Es sei schon die richtige Wahl. Ich tat es dann auch, im Jahre 2007. 

Aber seit dieser Entscheidung habe ich noch nicht so stark darüber nachgedacht gehabt, ob das Tuch wirklich zu meinem Charakter passt. 

Denn mir wurde auf und nach der Exkursion, heute erst zum wiederholten Male, gesagt, dass ich ja ganz anders sei, als man das von mir hätte erwartet. Dass ich ja gar nicht so schüchtern sei, wie man meinte. Dass ich ja auch mal im Rhythmus "abgehen" kann, wenn mal Rockmusik im Auto läuft. Und dass ich auch mal, ja: Spaß haben kann. Auch wenn ich in einer Parallelwelt lebe und die Lichter beim Stichwort "Hard-Rock-Cafe" nicht sofort aufglühen (--> Johanna, der war an dich^^). 

Ich kam nach langer Reflexion zum Ergebnis, dass das Kopftuch auf jeden Fall zu mir passt. Und es mich unter Druck stellt, wenn Menschen meinen, dass es zu mir nicht passen würde, weil ich mich in ein gewisses Schema bewusst oder unbewusst gesteckt empfinde. 

Ich wünsche mir, dass es nicht heißt, "Bei dir ist es anders", oder "Der Islam passt einfach nicht zu dir", sondern "Aaah, Muslime können auch anders sein, als ich dachte". Es gibt nämlich DEN Prototyp Muslima oder Muslim schlicht und ergreifend nicht. So wollte man die Heterogenität der Muslime nicht unterschätzen. 


Bedeutung des Dialogs
Genau aufgrund mitunter diesen Erkenntnissen durch die Begegnung mit verschiedenen sehr wertvollen Menschen hoffe ich, dass diese Bekanntschaften sich nicht in Luft auflösen, sondern Früchte tragen. Das kann natürlich auf die verschiedenste Art und Weise sein. Ob das jetzt durch das Pflegen dieser Bekanntschaften sein wird, oder durch das Erinnern und Gedenkens sein wird, und das Pflegen von Freundschaften, egal ob mit Juden, Muslimen, Christen, Buddhisten, oder Areligiösen, Atheisten, Agnostikern, Andersgläubigen und Andersdenkenden sein wird, bleibt jedem selber überlassen. 

Der Prophet Muhammed (Friede sei mit ihm) sagte nicht umsonst, dass Menschen sich am besten und schnellsten über drei Wege kennen lernen: 
1) durch die gepflegte Nachbarschaft,2) durch den gegenseitigen Handel, und 3) durch eine gemeinsame Reise. 

Auf dieser Reise konnte ich nachvollziehen, weshalb der dritte Punkt von ihm (Friede sei mit ihm) aufgeführt wurde. (:

Freiheiten Deutschlands machen mich zur Verfassungspatriotin

Schrieb es auch schon wo anders: Ich möchte dieses Land wirklich nicht verlassen! Denn es gibt kein schöneres Meer oder Wetter als das der Meinungsfreiheit! Und deshalb liebe ich Deutschland so sehr - wegen seiner Meinungsfreiheit und dem Demokratieverständnis hier vor Ort. Auch wenn es noch Lücken gibt. Die gibt es überall auf der Welt. Und zwar gewaltige, im Gegensatz zu hier. Das, was für uns selbstverständlich ist, ist wo anders schon gar nicht mehr so "natürlich" und "normal".

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken:

bei Professor Kai Trampedach, Herrn Dr. Johannes Wienand, Herrn Dr. Kramer, die die Organisation und Durchführung der Exkursion ermöglichten. Auch dem Herrn Dr. Dr. Dr. Vieweger, ein christlicher Archäologie, ursprünglich aus Deutschland, der uns vom Ölberg aus durch das christliche Jerusalem führte und Notizen aus dem Alltag zum Thema "Siedlungspolitik" unter vielen anderen Themen, erfahren ließ.

Und bedanken bei meinen Eltern und zunächst einmal bei meiner Animone, und dann auch meinen vielen lieben Freunden, die mich bei meiner Reise unterstützt haben. Nein, es ist nicht selbstverständlich. Die Unterstützung. 

Über

Mein Bild
Schwäbische Alb, Baden-Württemberg, Germany
undhiertrifftmanaufundnocheinentropfen aus dem ozean. einen tropfen guter ernte. einen tropfen für das löschen des feuers. einen tropfen wahrheit. einen tropfen hoffung. einen tropfen klarheit.